Der Bundesgerichtshof hat mit seiner Entscheidung vom 29.03.2017 (Az. VIII ZR 45/16) seine bisherige Rechtsprechung aus dem Jahr 2012 (Az. VIII ZR 333/11) geändert.

Im Jahr 2012 war es einem Vermieter noch möglich eine Mietwohnung zu kündigen, wenn er bzw. ein naher Familienangehöriger die Wohnung zu beruflichen Zwecken nutzen wollte. Im damals zu entscheidenden Fall wollte die Ehefrau des Vermieters ihre Anwaltskanzlei in die Mietwohnung verlegen. Damals entschied der BGH noch, der Vermieter könne sich auf die Generalklausel des § 573 BGB berufen, wonach es ausreiche, wenn er ein „berechtigtes Interesse“ an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Da der Begriff des „berechtigten Interesses“ im Gesetz nicht genau definiert ist, musste der BGH eine Abwägung treffen. Damals noch viel die Abwägung dahingehend aus, dass die verfassungsrechtlich geschützte Berufsfreiheit ähnlich hoch zu bewerten sei, wie das mögliche Eigenbedarfsinteresse die Wohnung zu Wohnzwecken nutzen zu wollen.

Hiervon kehrte der BGH nunmehr ab und entschied, dass das berufliche Nutzungsinteresse nicht zwingend ein „berechtigtes Interesse“ im Sinne des Gesetzes sei, um die Beendigung des Mietverhältnisses begründen zu können. Der Vermieter wollte seine Gewerberäume im Haus ausweiten, da er „überfüllte Aktenregale“ habe. Er plante in der gekündigten Mietwohnung einen zusätzlichen Arbeitsplatz und ein Archiv einzurichten. Der BGH entschied einschränkend zu seiner bisherigen Rechtsprechung, dass das Interesse des Vermieters an der Aktenauslagerung nicht das Wohnrecht aushebeln darf.

Im Endeffekt bedeutet dies, dass die bisherige Rechtsprechung nicht dazu genutzt werden kann, den Berufs- oder Geschäftsbedarf als ungeschriebene weitere Kategorie eines typischerweise anzuerkennenden Vermieterinteresses nach § 573 Abs. 2 BGB zu behandeln. Vielmehr müssen die Gerichte weiterhin im Einzelfall prüfen und feststellen, ob ein berechtigtes Interesse des Vermieters besteht, welches bei einer Mischnutzung aus gewerblicher und wohnlicher Nutzung wohl noch vorliegen dürfte, bei rein gewerblicher Nutzung allerdings nur in Ausnahmefällen. Die rein gewerbliche Nutzung rückt näher an die Voraussetzungen des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB (Verwertungskündigung) heran. Bei rein gewerblicher Nutzung muss der Nachteil von einigem Gewicht sein, was z. B. dann der Fall ist, wenn die gewerbliche Tätigkeit ohne diesen zusätzlichen Raum nicht mehr rentabel durchgeführt werden kann. Bei der Erweiterung von Lagerräumen bzw. eines Aktenarchives dürfte dieses nicht der Fall sein, da alternative Lagerräume günstiger als Wohnraum zur Verfügung stehen dürften.